WP-Kurs Arbeitslehre / Hauswirtschaft/Wirtschaft     2019 / 2020





Rechtsfähigkeit - Geschäftsfähigkeit

Teil 2

Wir haben am Montag darüber nachgedacht, ob Kevin Brötchen holen darf, obwohl er noch nicht sieben Jahre alt ist und wie die Sache mit der Rosinenschnecke ausgegangen ist.

Und dann haben wir seinen Bruder Thorsten beobachtet, wie er von seinem Taschengeld Gummibärchen kauft, obwohl die Mutter nicht einverstanden ist.
Wir haben den "Taschengeld-Paragraphen" kennengelernt:

Ein von dem Minderjährigen ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters geschlossener Vertrag gilt als von Anfang an wirksam, wenn der Minderjährige die vertragsmäßige Leistung mit Mitteln bewirkt, die ihm zu diesem Zweck oder zu freier Verfügung von dem Vertreter oder mit dessen Zustimmung von einem Dritten überlassen worden sind.
§110 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

Alles klar?
Heißt in normalem Deutsch: Wenn ein Kind oder Jugendlicher von 7 bis unter 18 Jahren etwas kauft, was der Höhe seines Taschengeldes entspricht, ist das ok.
Das heißt: Mit zunehmendem Alter können die Einkäufe "wertvoller" werden; sie dürfen nur nicht über das Taschengeld hinausgehen.

Beispiel 3:

Was ist, wenn Anja (16 Jahre) sich eine Jeans für 45,00 € kauft?

Das ist völlig in Ordnung, auch ohne ausdrückliche Zustimmung der Eltern. Sie hat vermutlich so viel Taschengeld zur Verfügung, dass der Kauf der Hose mit diesem Geld bezahlt werden kann. Erst recht, wenn das Geld von der Oma kommt ("Kind, kauf Dir mal was Nettes!!")

Beispiel 4:

Lutz (14 Jahre) ist ein begeisterter Mountainbiker. Sein Rad ist schon etwas in die Jahre gekommen. Deshalb träumt er von einem neuen Rad mit allem Schnickschnack. Er hat von seinem Taschengeld auch schon eine Menge gespart. Zum Geburtstag hat Tante Lotte ihm noch 100 € geschenkt; und Onkel Erwin hat auch noch mal 50 € zugelegt.
Als er mal wieder an seinem Lieblings-Fahrradladen vorbeigeht, entdeckt er ein großes Schild im Schaufenster: „Alles muss raus! Geschäftsaufgabe! Auf jedes Fahrrad 70% Preisnachlass!“

Lutz rennt nach Hause. So ein Mist! Seine Eltern sind nicht da, zu Besuch bei der Oma.
Und ans Telefon gehen sie auch nicht.
Er zählt seine Ersparnisse: 650 €.

Er rechnet kurz: Sein Traumfahrrad würde jetzt nur noch 590 € kosten.

Er denkt kurz nach, läuft mit seinem Geld zurück zum Fahrradgeschäft und kommt nach 30 Minuten stolz mit seinem neuen Fahrrad nach Hause.

Alles in Ordnung? Werden seine Eltern sich freuen, weil er so ein tolles Geschäft gemacht hat?
(Mach erst mal wieder eine Denkpause. Ist das alles so in Ordnung?)

Als die Eltern von Lutz am Abend nach Hause kommen, ist das Entsetzen groß.
"Wie konntest Du nur so dumm sein. Oma will Dir zum Geburtstag im nächsten Jahr ein neues Rad schenken!"
"Ich will das Rad aber jetzt haben! Außerdem habe ich das alles von meinem Taschengeld bezahlt!"

Muss der Händler das Rad zurücknehmen und den Kaufpreis erstatten?
(Denkpause!!)

Ja, er muss! Und das aus einem einzigen Grund: 590 € übersteigen das Taschengeld eines normalen 14-jährigen. Das ist durch den § 110 BGB nicht abgedeckt.
Auch das einmalig tolle Angebot hilft da nicht.

Beispiel 5:

Sein Freund Moritz hat am nächsten Tag von dem geplatzten Geschäft gehört und hat eine tolle Idee.
Er bekommt jeden Monat 80 € Taschengeld. Da kann er doch regelmäßig 50 € für das Fahrrad ausgebe. Er macht sich auf den Weg zum Fahrradhändler und schlägt ihm vor, dass er ein Jahr lang jeden Monat 50 € bezahl, also 12-mal. Dann hätte der Händler sogar noch 10 € mehr eingenommen.
Der Händler ist einverstanden, und Moritz radelt stolz mit seinem Kauf nach Hause.
"Da können meine Eltern nichts sagen, das ist ja alles im Rahmen meines Taschengeldes."

Ist die Argumentation von Moritz richtig?
(Und wieder eine Denkpause!)

Moritz hat leider auch Pech! 50 € sind zwar im Rahmen seines Taschengeldes, aber dieser Kauf ist ein Ratengeschäft. Und das ist für beschränkt geschäftsfähige von vornherein ausgeschlossen. Ganz gleich, in welcher Höhe.
Das gilt auch für Abos (z.B. für eine Zeitschrift). Auch das ist erst ab 18 Jahre möglich.

Beispiel 6 (das letzte):

In Nicoles Familie gibt es eine unbeliebte aber reiche Großtante. Keiner weiß mehr den Grund, aber man ist seit vielen Jahren verkracht und hat keinen Kontakt mehr.
Diese Großtante ist schon sehr alt. Sie hat Nicole ein paarmal gesehen und findet sie ganz toll.
Eines Tages kommt ein Schreiben von einem Rechtsanwalt bei Nicole an. Die Großtante möchte Nicole ihr Wohnhaus schenken, weil sie selbst in ein Pflegeheim zieht.
Nicole zeigt ihren Eltern den Brief. Die rasten völlig aus. "Diese Hexe! Jetzt macht sie sich an unsere Tochter ran. Auf keinen Fall nimmst Du das Geschenk an. Von dieser Frau wollen wir nichts geschenkt haben."
Nicole ist traurig. Das Haus ist toll, hat einen großen Garten. Das hätte sie schon gerne. Aber die Eltern haben es verboten. Nichts zu machen.

Nach einer Woche ruft sie den Rechtsanwalt an und teilt ihm mit Bedauern mit, das aus dem Haus nichts wird.

Wie reagiert der Rechtsanwalt? Dürfen die Eltern Nicole verbieten, das Geschenk anzunehmen?
(Ihr kennt das schon: Denkpause!!)

Auch hier ist die Sache recht eindeutig: Nicole darf das Haus annehmen. Die Eltern können die Schenkung nicht verbieten.
Grund: Dieses "Geschäft" hat nur positive Folgen für Nicole. Das dürfen die Eltern nicht verhindern.
Anders wäre die Sachlage, wenn auf dem Haus Schulden lägen (z.B. Kredite), oder wenn es eine Ruine ist und man viel Geld hineinstecken müsste.
Aber da auf dem Haus keine Kredite liegen und es auch in einem guten Zustand ist, darf Nicole sich als stolze Hausbesitzerin fühlen.
(Und die Eltern haben die Arbeit damit: Denn sie müssen bis zu 18. Geburtstag von Nicole allen Schriftverkehr für sie erledigen.)

Das soll es für heute gewesen sein.
Erst mal gute Erholung in den Ferien.
Warten wir mal ab, ob die Schule wieder öffnet.
Sonst sehen wir uns hier wieder.

Bis bald.


Für mich zur Erinnerung:

Pdf-Datei Rechtsfähigkeit / Geschäftsfähigkeit:

Kaufen und Verkaufen