Rechtsfähigkeit
Wer rechtsfähig ist, kann z.B. etwas kaufen, einen Führerschein machen, einen Mietvertrag abschließen, hat Rechte (z.B. Grundrechte) und anderes. Gleichzeitig bedeutet Rechtsfähigkeit auch, dass
man Pflichten wie dem Zahlen von Steuern
nachkommen muss.
Also:
1. Jeder Mensch ist rechtsfähig.
2. Die Rechtsfähigkeit des Menschen beginnt mit der Vollendung der Geburt (also im Kreißsaal. Auch ein Säugling kann beispielsweise erben oder Geschenke bekommen. Wenn Tante Inge ihrem Neffen Paul Jung z.B. zu seiner Geburt ein Haus mit 12 vermieteten Wohnungen schenkt, dann muss der kleine Paul aus den Mieteinnahmen Steuern zahlen. Dies kann Paul natürlich noch nicht selbst tun, seine Eltern werden also stellvertretend für ihn die Steuern überweisen. Die Steuererklärung lautet dann aber trotzdem auf den Namen Paul Jung.
3. Tiere sind nicht rechtsfähig. Sie sind juristisch eine Sache. Das gilt auch für den heißgeliebten Familienhund Hasso; wird er bei einem Autounfall verletzt, ist dies "Sachbeschädigung". Will Onkel Karl dem Hund 5000 Euro vererben, dann geht das nicht - Hasso ist nicht rechtsfähig.
Geschäftsfähigkeit
Wer geschäftsfähig ist, darf selbstständig vollgültige Geschäfte abschließen. Dir ist aber sicher ganz schnell klar, dass bei einem Baby oder einem Kind offenbar die Selbstständigkeit fehlt. Bei der Geschäftsfähigkeit gibt es deshalb Altersgrenzen:
• Menschen von 0 bis 7 Jahre sind nicht geschäftsfähig • Menschen ab 7 bis 18 Jahre sind beschränkt geschäftsfähig • Menschen ab 18 Jahre sind unbeschränkt geschäftsfähig
Eine Besonderheit gilt für Menschen, die dauerhaft geisteskrank sind: sie sind ebenfalls nicht geschäftsfähig. Sie werden von Eltern, Vormunden oder auch Betreuern vertreten.
Jetzt müssen wir aber noch etwas genauer hinsehen.
Beispiel 1:
Kevin ist 6 Jahre und 10 Monate alt. Die Mutter schickt ihn (wie schon öfter) zum Bäcker mit dem Auftrag, 6 Brötchen zu kaufen und gibt ihm 5 Euro mit. Kevin läuft zum Bäcker und fragt nach den Brötchen. Die Verkäuferin packt die Brötchen in eine Tüte und verlangt 1,80 Euro. Da entdeckt Kevin noch eine Rosinenschnecke. Das Wasser läuft ihm im Mund zusammen. Genug Geld hat er ja. Also bittet er auch noch um eine Rosinenschnecke. Die Verkäuferin kennt Kevin gut, weil er öfter für seine Mutter einkauft. Sie packt die Rosinenschnecke auch in eine Tüte. Kevin zahlt 3,30 Euro und läuft nach Hause.
Alles in Ordnung? (Denke erst mal ein paar Sekunden nach! Wie beurteilst Du die Sache?)
Juristisch geht es um zwei Dinge: 1. die Brötchen 2. die Rosinenschnecke
Obwohl Kevin noch nicht 7 Jahre alt ist (also geschäftsunfähig!), darf er die Brötchen holen und bezahlen. Er ist hier nur Bote und übermittelt den Wunsch der Mutter. Alles in Ordnung.
Die Rosinenschnecke ist aber ein Problem. Die Mutter hat hierzu keinen Auftrag erteilt, also darf die Verkäuferin Kevin die Schnecke nicht verkaufen. Die Mutter könnte zum Bäcker gehen, die Schnecke zurückbringen und das Geld hierfür verlangen. Der Bäcker dürfte die Schnecke auch nicht wieder an einen anderen Kunden verkaufen, da sie ja schon sein Geschäft verlassen hat (Hygiene!!!). Das heißt: Der Bäcker hat nicht nur das Geschäft bzw. den Gewinn verloren, er hat auch noch einen Verlust gemacht (und muss die Schnecke jetzt selbst essen.)
Beispiel 2:
Kevins Bruder Torsten ist ein Jahr älter. Er hat ein Sparschwein, in das er einen Teil seines Taschengeldes wirft. Die Mutter ist in die Stadt gefahren, und weil ihm langweilig ist, stochert er mit einem Messer solange am Geldschlitz herum, bis drei Euro auf dem Tisch liegen. Er nimmt das Geld und läuft zu seinem Lieblingskiosk. Dort kauft er für 2,50 Euro eine Tüte Gummibärchen. Als er nach Hause kommt, ist die Mutter wieder da. Sie sieht die Gummibärchen und wird böse. "Ich habe Dir schon so oft gesagt, dass Du kein Geld aus dem Sparschwein nehmen darfst." Dann schickt sie Torsten zurück zum Kiosk. Er soll das Geld wieder zurückverlangen.
Alles in Ordnung? (Denke erst mal ein paar Sekunden nach! Wie beurteilst Du die Sache?)
Da Torsten bereits 7 Jahr alt ist, ist er beschränkt geschäftsfähig. Aber was heißt das? Darf er - oder darf er nicht? Er kann eigene Rechtsgeschäfte tätigen (also etwas kaufen), aber er braucht in der Regel die Einwilligung (vorher) oder Genehmigung (nachher) der Erziehungsberechtigten (also in dem Fall der Mutter). Diese Einwilligung lag aber nicht vor! Also "Tschüß, Gummibärchen"?
Nein, so einfach ist die Sache nicht. Denn Torsten hat seinen Einkauf mit seinem Taschengeld gemacht. 2,50 Euro kann er von seinem Taschengeld problemlos bezahlen. Hier tritt nun juristisch der sogenannte "Taschengeld-Paragraph" in Kraft. (Wen es interessiert: §110 Bürgerliches Gesetzbuch.) Dort heißt es sinngemäß: Wenn ein Kind / Jugendlicher einen Kauf mit "eigenen Mitteln" bestreiten kann, dann ist der Kauf juristisch in Ordnung.
Was heißt das nun für Torsten und seine Gummibärchen? - Alles in Ordnung! Die 2,50 Euro hat er von seinem Taschengeld genommen, also braucht er nicht die Zustimmung der Mutter. Sie kann ihm solche Käufe zwar verbieten, aber den Verkäufer trifft keine Schuld. Er muss das Geld nicht zurückgeben. (Wie Torsten sich jetzt mit seiner Mutter einigt, ob er die Gummibärchen behalten und essen darf, das können wir hier nicht klären.)
Fortsetzung folgt Donnerstag!
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